Bei Konsumentinnen und Konsumenten findet ein Wandel statt, der Wunsch nach nachhaltigen Produkten zur Reduzierung des eigenen ökologischen Fussabdrucks steigt. Viele Unternehmen wollen diesem Kundenwunsch gerecht werden und sich punkto Nachhaltigkeit neu aufstellen.
Ökologie im Produktsortiment, aber auch in der ganzen Firmenphilosophie ist zum Marktfaktor vieler Unternehmen geworden. Marketingabteilungen werben gezielt mit dem Trendthema. Dabei ist längst nicht alles grün, was sich so nennt. Es drängt sich die Frage auf: Welche Unternehmen tragen wirklich einen ökologischen Grundgedanken in sich?
Bild: Pavan Trikutam, Unsplash
Greenwashing und Produktwerbung
Viele Unternehmen versuchen mit Kampagnen den Eindruck zu erwecken, klimaneutral und fair zu agieren. Sich selbst und seine Produkte als ökologisch wertvoll darzustellen, erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Das Ergebnis: Die Kunden steigen auf den Marketingzug auf und bringen die Kassen der Firmen zum klingeln. Und genau dies ist der Knackpunkt. Denn den Unterschied zwischen reiner Werbemassnahme und ernsthaften Bemühungen zur Reduzierung von Ressourcen und CO²-Emissionen zu erkennen, ist für Aussenstehende schwierig.
In vielen Fällen handelt es sich um Greenwashing. Der Begriff bezeichnet Marketingmassnahmen, mit denen Unternehmen durch ein grünes Image aus der Masse hervorstechen möchten, ohne jedoch dauerhaft etwas für Umwelt und Klima zu tun. Meist beschränkt sich das Umweltbewusstsein nur auf eine Produktpalette oder eine einzelne Branche.
Dabei aber immer von Lug und Trug zu sprechen, ist auch falsch. So darf eine Firma beispielsweise mit dem Begriff Nachhaltigkeit werben, wenn beim Verkauf bestimmter Artikel Bäume gepflanzt werden. Diese Aktionen beissen sich jedoch allgemein mit dem Umweltschutzgedanken, wenn gleichzeitig für die Herstellung der Hauptprodukte Unmengen fossiler Ressourcen oder seltener Erden gebraucht und von weither transportiert werden.
Ernst gemeinte Nachhaltigkeit
Es gibt Unternehmen, die Nachhaltigkeit ernsthaft betreiben. Für sie ist es ein wichtiger, integraler Bestandteil ihrer Firmenphilosophie. Sie legen sich nicht ein grünes Mäntelchen um, sondern haben das Thema in der DNA der ganzen Firma verankert, vom Management bis zur Produktion stehen alle dahinter, repräsentieren und kommunizieren aktiv.
Für Kundinnen ist es schwierig, den Unterschied zu erkennen. Vor allen, wenn die Marke noch unbekannt oder der Hersteller neu auf dem Markt ist. Seit einigen Jahren sind börsennotierte Konzerne dazu verpflichtet, in regelmässigen Abständen Berichte über ihre Nachhaltigkeit abzuliefern. Diese werden von Rating-Agenturen mithilfe der sogenannten ESG-Kriterien überprüft. Ein Vergleich dieser Kriterien mit der Firmenphilosophie bietet Aufschluss darüber, welche Unternehmen sich wirklich ernsthaft mit Nachhaltigkeit beschäftigen und welche eher Greenwashing betreiben.
Was genau versteht man unter den ESG-Kriterien?
ESG steht für Environmental (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (Unternehmensführung). Unter diesen Kriterien werden Ratings erstellt und der Nachhaltigkeitswert jedes Unternehmens lässt sich so ziemlich transparent bewerten. Konkret heisst das:
Environmental
Das E thematisiert die Verantwortung für unsere Umwelt, die Unternehmen tragen. Umfasst werden Aspekte wie Energie, Emissionen oder Rohstoffe.
- Schutz von Ressourcen, Arten und Tieren
- Umweltschonende und -verträgliche Produktion
- Reduktion von CO²-Emissionen
- Effizienter, schonender Umgang von Rohstoffen
- Nutzung erneuerbarer Primärenergien
- Klimaschutz
Social
Dieser Punkt umfasst die Verantwortung im sozialen Umfeld. Gesundheitsschutz, gesellschaftliches Engagement und auch die Arbeitssicherheit der eigenen Mitarbeitenden stehen im Mittelpunkt.
- Vielfalt und Gleichberechtigung
- Einhaltung von Menschen- und Arbeitsrechten, auch in der Lieferkette
- Angemessene Bezahlung
- Chancen zur Aus- und Weiterbildung
- Schutz von Gesundheit und Arbeitssicherheit
- Einhaltung und Durchsetzung von ökologischen Standards bei den Zulieferern
- Gesellschaftliche Verantwortung
Governance
Das G in den ESG-Kriterien steht für gute Unternehmensführung. Konkret werden die Werte, die Steuerung und Kontrollprozesse thematisiert.
- Leitung und Führung unter ethischen Gesichtspunkten
- Verantwortung im Bereich Risiko-Management
- Transparente Vorschriften gegen Bestechung und Korruption
- Nachhaltigkeit auf Führungsebene
- Vergütungen mit dem Erreichen von nachhaltigen Zielen
Welche etablierten Firmen agieren seit ihrer Gründung nachhaltig?
Nicht jedes grössere oder seit vielen Jahren auf dem Markt etablierte Unternehmen hat es nötig, auf den Greenwashing-Zug aufzuspringen, sondern betreibt ernst gemeinten Umweltschutz schon seit vielen Jahren mit Erfolg. Drei Beispiele nachhaltiger Unternehmen:
Weleda
«Schönheit und Gesundheit sollen sich im Einklang mit Natur und Mensch», so der Leitsatz von Weleda. Die Geburtsstunde der international agierenden Unternehmensgruppe fand 1921 in der Schweiz und in Deutschland statt. Die Gründer waren bestrebt, neue Wege zu gehen und eine bessere Zukunft aufzubauen. Den Mittelpunkt der Produktpalette bilden, damals wie auch heute, Medikamente und Hygieneprodukte, basierend auf natürlichen Substanzen.
Weleda ist die weltweit führende Herstellerin von zertifizierter Naturkosmetik und Arzneimitteln für die anthroposophische Medizin. Aus dem Geschäfts- und Nachhaltigkeitsbericht von 2020 geht hervor, dass knapp 1000 Arzneimittel und etwa 120 Naturkosmetik-Produkte in über 50 Ländern weltweit vertrieben werden.
Bei der Produktion und Gewinnung von Rohstoffen spielen strenge ethische Kriterien eine grosse Rolle. Das Unternehmen ist Mitglied und Mitinitiator von «The Union for Ethical BioTrade» (kurz UEBT). Einen Anteil der Heilpflanzen baut Weleda in einem seiner acht Gärten biologisch-dynamisch selbst an.
Der Konzern legt zudem Wert auf Transparenz. So wird beispielsweise die jährlich erscheinende Umwelterklärung für die beiden Standorte Arlesheim und Schwäbisch Gmünd digital veröffentlicht. Dabei sind die Anforderungen EMAS-konform.
Patagonia
Umwelt- und Sozialverantwortung sind fest in der Firmen-DNA dieses Unternehmens verankert. Patagonia ist ein US-Konzern aus Kalifornien und international agierender Hersteller für Outdoor-Bekleidung. Gegründet wurde die Firma 1972 von Bergsteiger Yvon Chouniard. Umfasste das Sortiment anfangs nur Kletterhaken, wurde es in den darauffolgenden Jahren um Jacken und Surfausrüstung erweitert.
Eine nachhaltige Produktion hat normalerweise ihren Preis, den letztendlich die Verbraucher zahlen müssen. Patagonia geht hier einen Sonderweg und will keine Spezialnische für Privilegierte schaffen. Umweltschutz und Klimaneutralität werden bereits seit vielen Jahren aktiv umgesetzt. Zu einer Zeit, wo die Themen noch keine relevante Bedeutung für global agierende Konzerne hatte.
Das Streben nach Nachhaltigkeit umfasst mehrere Ebenen. So stammt die Idee, 1% des jährlichen Umsatzes für den Schutz der Umwelt zu spenden, vom Firmengründer selbst. Viel wichtiger aber: Recycling, Reparatur, Secondhand und eine lange Lebensdauer der Produkte sind Hauptmerkmale von Patagonia. Die bekannte Marketingkampagne «Don't buy this Jacket» als Titel einer Jackenwerbung nimmt augenzwinkernd darauf Bezug und hat der Firma eine hohe Reputation eingebracht. Der Konzern lehnt sich auch häufig aus dem Fenster und prangert die Marken seiner Mitbewerber an, wenn diese sich zu weit vom Umweltgedanken wegbewegen.
Intelligent, mutig, ehrlich: Anzeige von Patagonia für ihre langlebigen Produkte und ihr Engagement.
Abendrot
Grosse Macht in Bezug auf nachhaltige Entwicklung haben die Finanzinstitute. Sie bestimmen, wo investiert wird und wo nicht. Die Pensionskasse Stiftung Abendrot wurde 1984 gegründet und versichert rund 13 000 Personen und 1200 Unternehmen. Sich für Nachhaltigkeit und Umweltschutz einzusetzen, ist ein zentraler Leitgedanke und Grundsatz der Stiftung. Und das notabene seit vierzig Jahren. Die Werte finden sich in Anlagestrategien ebenso wie in Dienstleistungen und der Mitsprachemöglichkeit. Firmen, die sich der Pensionskasse anschliessen möchten, müssen sich ebenfalls mit den Grundsätzen identifizieren. Um dies zu gewährleisten, pflegt Abendrot bewusst einen persönlichen Kontakt zu ihren Partnern und den versicherten Personen. Ein paar Beispiele, wie die Institution Nachhaltigkeit umsetzt:
- Langfristige Beziehung zu Kunden und Firmen
- Transparenz auf beiden Seiten
- Investitionen nur in Unternehmen, die punkto Nachhaltigkeit zu den Besten in der Branche gehören
- Gleichstellung aller Versicherten
- Sozialpolitische Leistungen und Berücksichtigung verschiedener Lebensentwürfe
- Mitspracherecht in der Delegiertenversammlung
- Schlanke Geschäftsprozesse
- Schadstoffarme Bewirtschaftung der eigenen Immobilien
Globales 100-Ranking
Seit 2005 ermittelt das kanadische Marktforschungsunternehmen Corporate Knights jährlich die 100 nachhaltigsten Unternehmen der Welt und lanciert diese unmittelbar am WEF. Neben sozialen, ökologischen und ökonomischen Aspekten werden beim Ranking auch Forschungsberichte und finanzielle Bewertungen berücksichtigt. Das System ist nicht ganz unumstritten und wird von vielen Konzernen als wenig repräsentativ gewertet. Ein Kritikpunkt ist beispielsweise, dass bei der Bewertung Firmen mit einer hohen Kapitalisierung auf dem Markt besser berücksichtigt werden. Kleinere Betriebe haben hier kaum ein Chance, auch wenn sie nachhaltig wirtschaften und wichtige Beiträge leisten. Doch kann auch gesagt werden, dass Weltkonzerne aufgrund ihrer schieren Grösse mengenmässig mehr bewirken und darum das Ranking durchaus seine Berechtigung hat.
2021 stieg ABB von Platz 61 auf Platz 33 auf der Liste der nachhaltigsten Konzerne weltweit. Die Firma sagt, dass sie mit gutem Beispiel im Umweltschutz und der Wertschöpfungskette vorangehen und deshalb bis 2030 ihre CO²-Emissionen komplett herunterfahren will.
Eine weitere Besonderheit des schwedisch-schweizerischen Energie- und Automatisierungskonzerns: Rund ein Drittel der Führungspersonen sind Frauen. Im Vergleich zu anderen Unternehmen wahrlich eine Vorreiterin.