Kaum ein Designaspekt wirkt so sehr auf der Emotionsebene wie die Farbe. Die einen lieben es bunt, andere würden am liebsten in Schwarz und Weiss leben. Nicht nur Markendesigner, auch Interieur- und Produktgestalter bestätigen dies im Umgang mit ihren Kunden. Farben lösen beim Betrachter unbewusste, dafür umso stärkere, gefühlsbezogene Reaktionen hervor. Feedbacks auf einen Farbvorschlag wie «Das gefällt mir nicht» sind bei Markendesignern unbeliebt. Das ist verständlich, denn sie entwerfen ein Logo nicht für Einzelpersonen, sondern für ein Unternehmen oder eine Idee. Dabei sind solche Reaktionen ganz natürlich, denn wir alle haben Lieblings- und Reizfarben.
Das blaue Wunder
In Umfragen wird Blau am weitaus häufigsten als Lieblingsfarbe genannt. Es ist gemäss vielen Quellen die meistverwendete Logofarbe, was wohl kein Zufall ist. Faktisch überprüfen kann ich es nicht, doch meine Berufserfahrung bestätigt die These.
Die Schweiz ist ein Land von Dienstleistern – und genau diese Branche verwendet häufig einen Blauton als Markenfarbe. Bei Banken ist es augenfällig: Die Begriffe «Logo» und «Bank» in die Suchmaschine eingegeben, und es ergiesst sich ein bläulich dominiertes Farbspektrum in den Bilderteppich – nur die Kantonalbanken ohne Blau im Kantonswappen tanzen aus der Reihe. Anwaltskanzleien ergeben ein ähnliches Bild: Graublau, Marine und Königsblau dominieren.
Blau steht landläufig für Harmonie, Ruhe, Vertrauen und Kompetenz. Farbdeutungen dieser Art werden oft zu Rate gezogen und gerne zitiert. Aber sie greifen zu wenig weit und sind zu oberflächlich.
Ergebnis persönlicher Browsersuche: Viele Banken präsentieren sich in Blau. Bild: Google
Wald- und-Wiesen-Farbpsychologie
In der landläufigen Farbsymbolik steht Blau für Ruhe, Rot für Dynamik, Grün für Hoffnung und Violett für Mystik. Doch existieren viele Deutungen parallel, und die widersprechen sich teilweise je nach Anwendungsbereich, Kulturkreis oder Tradition. Rot z.B. steht für Liebe, Dynamik, Aggression, Gefahr oder Reichtum. Zusammen mit Schwarz aber auch für Tod und Trauer. Viele Säugetiere können Rot gar nicht wahrnehmen, unser Menschenauge aber reagiert aufgrund der kurzen Wellenlänge sensibel darauf. Deshalb wird Rot bei Warnsignalen eingesetzt. Politisch ist Rot klar besetzt und auch in der Religion gut vertreten. In der Schweiz wird die Farbe besonders oft verwendet für alles, was sich den Mantel der Swissness umhängen will.
Deutungen und Assoziationen sind also vielfältig. Farbsymbolik sollte deshalb breit recherchiert werden, will man die Begründung primär darauf abstützen.
Jeder Branche ihre Farbe
Wer das Markendesign von Unternehmen studiert, kann eine interessante Tendenz beobachten: Entgegen der vorherrschenden Empfehlung, sich für eine gute Wahrnehmung im Markt abzugrenzen, sehen sich auffallend viele Auftritte innerhalb einer Branche ähnlich.
Die jüngsten Marken-Redesigns in der Haute Couture zeigen: Sie gleichen sich optisch an. Bild: Persönlich.com
Aber nicht nur formal, sondern auch farblich. Es scheint, als hätten gewisse Branchen ihr eigenes Farbklima regelrecht gepachtet: Banken und Kanzleien Blau, Versicherungen Rot und Grün, Discounter Gelb/Orange, der Gesundheitssektor Grün, die Mode- und Lifestylebranche – ausser Billiglabels – Schwarz. Und die Architekten? Logisch, die wählen auch Schwarz.
Parallel dazu gibt’s auch regelrechte Branchen-No-Gos: Modelabels oder Architekten meiden Blau. Sicherlich auch als Reaktion auf die Vereinnahmung durch die Dienstleistungsbranche: Allzu seriös und kommerziell will hier niemand wirken. Die sogenannten Kreativ-Branchen halten sich auch von allzu bunten Aspekten fern, da sie befürchten, sonst rasch ausser Mode zu geraten.
Lieber gewohnt oder ungewöhnlich?
Sich allgemeine Gewohnheiten zunutze zu machen, kann die eine Strategie sein. Und die muss wirtschaftlich nicht unbedingt falsch sein. Wer sich aber optisch wie die anderen positioniert, sendet Signale aus, die auf Mainstream, Mutlosigkeit und Durchschnitt gedeutet werden können.
Aus der Sicht der Positionierung birgt diese Strategie zudem das Risiko der Verwechslung. Ich bin überzeugt, dass die Konsumenten viel mehr Marken verwechseln als angenommen. Mir persönlich passiert das oft und ich bin sicher, es hängt mit der fehlenden optischen Einprägsamkeit zu tun.
Ungewöhnlich aufzutreten braucht etwas Mut. Und der ist nicht jedem gegeben. In den allermeisten Positionspapieren von Unternehmen lese ich, dass «Einzigartigkeit» und «Innovation» bei ihnen weit vorne stehen. Ein Markendesign könnte als visueller Botschafter eingesetzt werden, um diese Attribute zu unterstreichen. Ausser natürlich, man lebt sie nicht wirklich.
Gewohnheiten sind nicht nur dazu da, sie zu bedienen. Sie eignen sich auch besonders, sie zu brechen.
Drei, die branchenungewöhnliche Markenfarben wählten. Skoda mit Grün, Bank Valiant mit Lila sowie die Basler Kantonalbank, die sich ausschliesslich Schwarz zeigt.