Der Sommer war lang und schön. Und das war gut. Aber manchmal sind kurze Sachen besser, vor allem, wenn es um Texte geht. Warum viele Texte in der Werbekommunikation zu lang sind und was man dagegen tun kann.
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Ich schreibe täglich, wie viele andere auch. E-Mails, Werbetexte, kleine Artikel. Auch lese ich gern, vor allem Sachbücher und längere Zeitungsartikel. Hintergründe und Zusammenhänge haben mich schon immer mehr interessiert als News und Tagespolitik.
Aber anders als bei der Literatur und dem Weltgeschehen lese ich in der Werbekommunikation und vor allem im Internet nicht gern. Es ist zeitraubend und manchmal nervig. Und hier bin ich nicht alleine, die meisten Leute lesen sehr selektiv, sprunghaft und in Happen. Deshalb sollte eine Botschaft im Text rasch ins Auge springen, sonst sind wir wieder weg.
Kürzen ist Knochenarbeit
Warum sind so viele Texte in der Werbekommunikation zu lang, obwohl keiner gerne liest? Ich hege zwei Vermutungen:
Erstens weil zu viele Inhalte reingepackt werden. Ein Produkt wird von allen Seiten ausgelobt, parallel fliesst ein, wie toll die Firma ist. Und ein weiteres Serviceangebot muss auch noch rein, wenn man schon mal dabei ist. Doch so funktioniert es nicht. Beim Leser bleibt – wenn überhaupt – eine einzige Hauptaussage hängen. Besser, der Autor schaut, dass es auch die richtige ist.
Und zweitens weil Kürzen harte Arbeit ist. Drauflosschreiben fühlt sich gut an, wenn es fliesst. Die Arbeit scheint schon fast erledigt, dabei hat sie erst begonnen. Denn jetzt ginge es ans Verdichten, Entrümpeln und Aufräumen. Hinzu kommt, dass aus Spargründen zunehmend weniger Aufträge an professionelle Texter vergeben werden. Schreiben kann jeder selber, irgendwie.
Diktator SEO
Die Textoptimierung für Suchmaschinen wie Google hat uns ein Bein gestellt. Viele Profis schreiben Texte im Internet primär für den Algorithmus und nicht für den Leser. Sie ziehen die Texte unnötig in die Länge, weil der Textumfang gemäss Onlinemarketing-Experten eine grosse Rolle spielt. Eine seltsame Entwicklung. Obwohl ich es nicht selber beurteilen, geschweige denn überprüfen kann, hege ich Zweifel daran, ob der Einfluss wirklich so gross ist. Algorithmen werden stündlich angepasst, und was gestern noch galt, ist heute schon überholt.
Ähnlich verhält es sich mit den Keywords. Natürlich müssen die wichtigen Schlagworte in einem Text vorkommen. Aber das müssen sie ja auch ohne SEO, sonst passt der Text nicht wirklich aufs Angebot. Google-Rankings sind zweifellos wichtig. Doch bei Texten bin ich der Meinung, dass diese für die Leser geschrieben werden sollen.
Täglich grüsst die E-Mail
Kürzlich haben wir für einen Kunden einen Leitfaden verfasst, der die E-Mail-Kommunikation der Mitarbeitenden verbessern soll. Offenbar besteht ein solches Bedürfnis. Drei Punkte daraus möchten wir weitergeben, sie treffen den Nagel auf den Kopf:
Ein Thema pro E-Mail.
Dies erhöht die Übersicht sowie die Wahrscheinlichkeit, dass die ganze E-Mail gelesen wird. Zudem vereinfacht es die Beantwortung und Ablage der Korrespondenz.
Titel setzen.
Beim Beantworten von E-Mails keine neuen Themen hineinpacken. Eine neue E-Mail bekommt einen eigenen Betreff/Titel. Auch dies dient einem sauberen Projektmanagement. Aw-/Re-Mails werden weniger gelesen als «frische» Nachrichten.
CC-Funktion minimieren.
E-Mails nur an die wirklich Betroffenen senden. Bei mehreren Empfängern fühlt sich niemand verantwortlich. Zudem verstopft die CC-Flut – ein Phänomen in Grossfirmen – mittlerweile die Kommunikationskanäle ganzer Teams.
Die Kurz-und-knapp-Checkliste
Meine ganz persönliche Checkliste fürs Verfassen von Texten. Es geht hier nicht um Stil- und Formulierungsfragen, sondern um Länge und Struktur.
1. Gestalten Sie zuerst einen sogenannten Blindtext mit Abschnitten. So strukturieren Sie den Text vor und legen fest, wie lang er sich «anfühlen» soll. Egal ob fürs Internet, einen Flyer oder eine Dokumentation. Setzen Sie so viel Text, wie Sie selber lesen würden. Das ist eine Praxis aus dem Kommunikationsdesign und ein prima Trick für ein stimmiges Ergebnis.
2. Schreiben Sie über das Wesentliche, mit einer einzigen Hauptbotschaft. Das heisst nicht, dass der Inhalt trocken sein muss oder frei von Anekdoten und Beispielen. Nur einfacher zu lesen.
3. Bearbeiten Sie den Text dreimal. Einmal frisch von der Leber weg schreiben. Dann eine Runde kräftiges Entrümpeln und Kürzen. Einen Tag warten und am Ende noch eine Runde Verdichten und Kürzen.
4. Lassen Sie den Text lesen. Von einer externen Textagentur, oder wenn das Geld fehlt, von einer textaffinen Vertrauensperson. Die ersten Leser sind Gold wert und liefern wichtige Inputs. Tipp: Nicht immer die gleichen Personen befragen.
5. Lassen Sie sich nicht von Google & Co. die Texte diktieren. Wichtiger ist der technisch saubere Aufbau einer Website und sinnvolle Landingpages, die mit den AdWords-Kampagnen übereinstimmen. Gute, für meinen Geschmack eher kurze Texte, die sauber strukturiert und klar formuliert sind, überzeugen Leser und Suchmaschinen gleichermassen.
Laut Empfehlung von SEO-Experten sollte ein Blogbeitrag 1000 Wörter beinhalten. Dieser hier umfasst 775 Wörter. Und eigentlich finde ich ihn immer noch zu lang.